Das Problem mit den ungelernten „Web-Designern“

Oder warum Handwerker eigentlich supergünstig sind

Susanne Stenshorn | 01.03.2023
Lesedauer: ca. 00:04:28 | Schwierigkeit: Leicht

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Im Moment rege ich mich viel zu oft über meine ungelernten „Kollegen“ auf. Wobei ich hier eigentlich genauer werden müsste und von den „uninformierten“ Web-Designern sprechen müsste. Das ist nämlich ein großer Unterschied – aber ich brauch die Klicks. (Verzeiht mir das.) Aber was ist das Problem?

Webdesign ist nicht der einzige ungeschützte Beruf und es betrifft nicht nur meine Branche aber nur über meine persönliche Situation kann ich berichten. Wahrscheinlich werde ich mich in rage schreiben. Ich kenne mich ja. Darum vorweg: Nicht alle sind so. Viele regen sich genau so sehr über die folgenden Punkte auf wie ich. Ich habe einige ungelernte Kollegen kennen gelernt die sich Gedanken machen und die echte Profis auf ihrem Gebiet sind. Aber: Die anderen … das ist eine wilde Geschichte.

Fangen wir mit dem grundliegenden Problem an. Design-Berufe sind in Deutschland nicht geschützt. Das ist zum einen natürlich ein Vorteil. Künstler und kreative Menschen können ihr Talent so schnell und einfach zum Beruf machen. Nur darum kann ich auch Flyer, Visitenkarten etc. als Grafik-Designer anbieten obwohl ich nur Web-Entwickler (mit Design-Modul) gelernt habe. Der Nachteil ist das jeder Horst sich Designer nennen kann. Fachliches Wissen vorhanden oder nicht. Und gerade die Webdesigner-Bubble quillt von Ungelernten, die sich nicht informieren, über.

Bild 1: Screenshot von wordpress.com

Und wenn es bei einem gesunden Wettbewerb bleiben würde wäre das auch gar kein Problem – aber diese Menschen treiben die Preise auf Jenseits von Gut und Böse. Ein Beispiel: Ich code dir eine Website in ein paar Wochen. Empfohlener Stundensatz zwischen 80-120€ je nach Erfahrung und Ausbildung (Wohnort und Kosten spielen auch eine Rolle, aber belassen wir es bei dem einfachen Model). Ungelernte Designer bauen dir in einem Tag eine WordPress-Website zusammen. Das ist ein sehr häufiges Angebot. Website in einem Tag, wenn du Bilder, Strategie, Texte etc. selbst lieferst. Kannst du aber auch gerne dazu buchen. WordPress ist ein Baukasten. Sie verkaufen es dir als CMS-System. Aber dazu später mehr. Texte, SEO, Strategie und Konzept ist bei mir mit drin. Sonst kann ich gar nicht deine Wünsche in meinem Code berücksichtigen. Ungelernte (oft Word-Press-Assistenten oder Vertriebler) nehmen durchschnittlich einen Festpreis von 2500€. Für eine Website ist das günstig. ABER: Der umgerechnete Stundensatz liegt bei über 300€! Für einen Baukasten! Das Ergebnis sieht immer gleich aus. Du bekommst ein Massen-Produkt mit 0 Individualität für den Preis eines Designproduktes einer Luxusmarke. Beispiel: Du kaufst bei Kik und zahlst wie für ein limitiertes Gucci-Designer-Stück.

Und nicht nur dass die Preise unreguliert nach oben schießen (das sind so viele und laute Stimmen, das wir gelernten echt untergehen) auch die Standards leiden massiv unter dem Blödsinn, den sie verbreiten. Da wird WordPress (das sich selbst als Baukasten und kleines Blog-CMS bezeichnet) zum ultimativen CMS. Elementor und Divi werden das Non-Plus-Ultra an Erweiterung (ich habe Elementor getestet und nicht 1ne Funktion gefunden die WordPress selbst nicht hat). Das Internet wird so viel cooler, weil (Achtung! Die meinen das Ernst) es nicht mehr mit HTML und CSS funktioniert. WordPress übersetzt HTML, etc. in eine Benutzeroberflasche bzw. das was du dort macht übersetzt WordPress für dich in HTML-Code. Auch ein ganz schlimmes Beispiel: Die grundlegenden Funktionen die das Internet schon konnte als es für die Allgemeinheit attraktiv wurde wie bunte Texte, verschiedene Schriftarten und bewegte Effekte werden als absolutes Non-Plus-Ultra highlight verkauft und die Seiten werden damit so vollgehauen wie eine Prostituierte sich nur mit Glitzer einstaubt wenn sie einen Glitzer-Fetisch-Kunden bedienen will.

Der technologische Fortschritt wird ausgebremst und diese Menschen sind auch noch stolz darauf eine ganze Branche zu zerstören. Zum Glück haben die meisten außerhalb von Social-Media keine Reichweite. Zumindest ich bin noch nie über Google auf diese Personen gestoßen. Nur die die wirklich wissen, was sie tun, und die gute Beiträge schreiben können Google überzeugen – mit ihrem Blog, die Websites habe ich noch nie gefunden. Das ist auch der Hauptgrund, warum ich mit Social-Media aufgehört habe. Fachwissen und unbequeme Wahrheiten punkten da nicht. Website in einem Tag die ganz individuell für dich gemacht ist, die nur du hast und die 100% zu dir passt und dich wiederspiegelt – die gibt’s nicht.

Und wenn man sich die Profile dieser „Designer“ genau anschaut, wird man auch schnell stutzig. Sie probieren ständig neue Formate und Kanäle aus, weil sie Kunden finden wollen – aber sind schon 18 Monate im Voraus ausgebucht, weil die Website so gut läuft und verkauft. Wäre es nicht sinnvoller die Aufträge abzuarbeiten als stundenlang täglich Content zu produzieren und online zu sein? Und wenn die so viel Geld verdienen und so viele Aufträge haben das sie einen eigenen Assistenten brauchen – warum zahlen sie nicht für einen, sollte doch locker gehen? Einiges davon habe ich in meinem Beitrag: Das Problem mit Social-Media behandelt und auch das Thema-Preise bekommt einen eigenen Beitrag. Hier muss ich mir einfach mal Luft machen und dir den Rat geben: „Informiere dich und suche den für dich passenden Designer nicht auf Social-Media.“

Ich für meinen Teil bin froh das mich Likes nicht mehr verunsichern und ich Social-Media nur noch zum Spaß nutz (und zur Recherche für meine Beiträge und Videos). Likes sagen nichts über fachliche Kenntnisse und Knowhow aus. Und zumindest bei den Suchmaschinen habe ich noch Hoffnung das meine Branche gerettet werden kann. Und das am Ende die Qualität die Quantität besiegt und coole, individuelle Designs zurück kommen. (Und Preise wieder realistisch werden)

Fun-Rechnung zum Spaß: Meine Preise orientieren sich an dem, was ich gelernt habe. Wenn ich mich an Social-Media und dem 300€ Stundensatz orientieren würde – wo käme ich da hin? Rechnen wir mal: Also 1 Tag mit 8 Stunden für 2.500 x 3 Wochen a 5 Tage (brauche ich ca. für alles – bei einer kleinen Website) macht 12.500 für eine Woche also 37.500 für eine Website…. Da mach ich nicht mit. Das ist für viel zu viele Branchen der Jahresverdienst.

Fun-Fakt: Ungelernte müssen 15 Websites im Jahr (also 15 Tage – weil Website in einem Tag) arbeiten, um einen mittleren Jahresverdienst zu erreichen. Und da sagen alle Influencer wären arbeitsfaul und überbezahlt…

Willst du echt so viel zahlen und das unterstützen?



Quellen:
Bild 1: zugeschnittener Screenshot von wordpress.com vom 07.02.2023 11:28 Uhr